Samstag, 10. November 2012

Erkältungstee, Bodylotions, Ansichten und Einsichten

Teestunde mit Hindernissen
Da ich ja momentan meinen Zwangsurlaub in vollen Zügen genießen darf, bleibt mir ja sehr viel Zeit um Tee zu trinken.
Obwohl ich mir gerne mal eine kleine Auszeit von der Hektik und dem Alltagsstress gönne, bin ich doch keine Freundin von langem Herumsitzen.
Deshalb hab ich den Tag mit Dingen zugebracht, die ich auch mit meiner Erkältung und ohne viel zu reden erledigen kann.
Der Tag hat aber  nicht so gut angefangen. Als ich die Besteckschublade in der Küche wie immer aufgemacht habe, hatte ich das Teil plötzlich in der Hand - irgendwie auseinandergefallen.
Aber nach einer Viertelstunde wilden Herumbastelns war das Ding wieder an seinem Platz.
Bevor ich Tee trinken konnte wollte ich im Schlafzimmer noch schnell mal Stoßlüften, dabei kam mir auch schon die Gardine entgegen... Grummel.
Wo ein Hocker ist gibt es auch einen Weg - also hab ich die Gardine eben wieder eingehängt und konnte mir endlich die erste Tasse gönnen.

Bodylotion: Frauen haben Recht - Männer aber auch
Als Trans-Frau habe ich ja den "Vorteil" bei einigen Dingen beide Seiten kennenlernen zu dürfen bzw. zu müssen.
Eine Frau zu sein und als eine Frau zu leben ist ja bei Trans-Frauen nicht immer selbstverständlich.
Neben eiskalten Beinen und der ebenso einfachen wie angenehmen Abhilfe durch Strumpfhosen oder kuschelige Strümpfe habe ich heute wieder etwas dazugelernt.

In meiner Männerrrolle konnte ich wirklich nie verstehen, warum meine Bekannten oder auch meine Freundinnen ständig Bodylotions verwendet haben.
Das Zeug war irgendwie fettig, schmierig, klebte in allen Körperhaaren und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wozu das gut sein sollte.
Eine Freundin sagte einmal:"Probier, doch mal. Fettet gar nicht, fühlt sich gut an und wird dir guttun." Also hab ich mir eine gaaanz dünne Schicht Bodylotion aufgetragen - mit dem oben beschriebenen Ergebnis.

Seit einigen Wochen bekämpfe ich ja nun gezielt meine wirklich unbeliebte Körperbehaarung und da sieht die Sache ganz anders aus.
Gerade in der Winterzeit neigt meine Haut dazu leicht trocken zu werden. Jetzt kann eine Bodylotion wirklich nicht schaden.
Und es stimmt - ohne diesen Pelz zieht die Lotion superschnell ein - fettet gar nicht und macht die Haut wunderbar zart und geschmeidig. Es fühlt sich einfach toll an.
Frauen haben also doch recht - Bodylotions brauchen wir unbedingt! Männer haben aber auch recht.

Ansichten und Einsichten
So bei der zweiten Kanne Tee kam mir wieder einer meiner November-Gedanken in den Sinn:
"Was für Ansichten und Meinungen hattest/hast Du von Deinen Mitmenschen - und warum?"

Meinungen und Ansichten sollte man sich immer selbst bilden. Aber so einfach ist es nicht - Eltern, Familie, Schule, Umfeld, Medien - alles und jeder bildet die Meinung mit.

Von Kindheit an wurde ich darauf hingewiesen, das Schwule, Lesben, Transvestiten, Tätowierte usw. Menschen sind, von denen man sich am besten fernhält - denn sie üben einen schlechten Einfluss aus.
Zu meiner Schulzeit wurde das Thema gar nicht behandelt und später in der Armee war die Meinung zu diesen Personengruppen eher negativ - auch meine eigene.

Ob es jugendliche Dummheit, Ignoranz oder andere Gründe hatte weiß ich immer noch nicht.
Ich weiß nur, dass man als "Mann" diesen Themen oder Personengruppen eher negativ entgegentreten sollte, wenn "Mann" nicht veräppelt und immer brav im Mainstream mitschwimmen möchte.

Homosexualität
Nun hätte ich ewig so in meiner vorgefertigten Selbstzufriedenheit mit dieser wunderbaren Meinungen weiterleben können wenn... ja wenn sich nicht ein guter Freund als homosexuell geoutet hätte. Er hatte in der Beziehung auch den weiblichen Part. Genau so trat er mir auch damals entgegen. Mit blond gefärbtem Haar, blauen Kontaktlinsen und in sehr femininer Kleidung.

Was soll ich sagen... ich war geschockt - und ich hatte gerade ein hartes Jahr in der Armee hinter mir.
Meine Reaktion war eindeutig. Wir sahen uns nicht mehr wieder - bis zum heutigen Tag nicht. Allerdings schreiben wir uns seit einigen Monaten.
Wenn ich heute darüber nachdenke, denke ich, dass ich ein ziemlich großes Rindvieh war.
Gerade ich. Ausgerechnet ich. Zu meiner Verteidigung kann ich nur sagen, dass mich das Auftreten und das Outfit einfach überrollt haben.

Tätowiert na und?
Das zweite Thema waren Tätowierungen. Sie haben mich auf irgendeine Art und Weise schon immer fasziniert - weil sie so schön farbig sind, sich dem Körper so gut anpassen und weil sie für immer sind.
Wie fast alles sind natürlich auch Tätowierungen Geschmackssache. Auf charakterliche Eigenschaften des Trägers oder der Trägerin lassen sie aber nicht schließen.
Trotzdem werden Tätowierte genau wie Transsexuelle stigmatisiert und müssen ihre teuren Kunstwerke oft genug verstecken. Aufgrund von Meinungen, die noch vom Beginn des letzten Jahrhunderts herrühren.

Wir Transsexuellen haben nur leider die Eigenschaft uns ganz schlecht verstecken zu können bzw. zu wollen. Deshalb wird sich die Gesellschaft (auch die Arbeitgeber) über kurz oder lang an uns gewöhnen müssen - wir sind ein Teil der Gesellschaft.

Als ich mir vor Jahren nach fast zehn Jahren Nachdenken mein erstes Tattoo stechen ließ, machte ich mir auch die Mühe, mich mit den Menschen dahinter zu beschäftigen und ich habe nur ganz "normale" nette Menschen mit all ihren Sorgen und Nöten - aber auch mit einer großen Portion Lebensfreude kennengelernt.

Interessant finde ich nur, dass sich jede(r) Erwachsene(r) stundenlang bis zum Exzess tätowieren lassen kann. Ohne Psychologen, Alltagstest und anderen Dingen. Solltest Du nicht vorher mal ein Jahr ausprobieren, ob Du mit einem farbigen Arm im Alltag zurechtkommst?
Aber schließlich bist Du erwachsen und kannst selbst entscheiden, welche Dinge Du mit Deinem Körper anstellst.

Wenn Du aber weißt, dass Du eben kein Mann sondern eine Frau (oder auch ein Trans-Mann) bist.
Dann gibt es da Psychologen, Gutachten, Tests - alles Mögliche. Transsexuell "wird" man nicht. Genauso tut sich das Ganze niemand aus Spaß an. Psychologen, Medikamente, Stigmatisierung, Operationen und nicht zu vergessen die emotionale Dauerbelastung.

Aber ich verstehe, dass die Krankenkassen nicht einfach so Geld ausgeben können.
Die Menschen, die es uns aber im Alltag so schwer machen wir selbst zu sein und zu werden, kann ich immer weniger verstehen.

Heute schaue ich zum Glück genauer hin, bin offener geworden und hüte mich davor Menschen aufgrund irgendwelcher Dinge vorzuverurteilen.

Wenn ich aber an die vorher erzählte Geschichte zurückdenke. Kann ich wohl kaum Verständnis für mich selbst erwarten.
Es ist schwierig - und es wird noch schwieriger werden...

So, mein Tee ist alle und jetzt hab ich auch noch Kopfschmerzen. Zeit das Notebook zuzuklappen und wieder brav ins Bett zu gehen.


 


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