U-Bahn fahren...
kann ich leider derzeit nicht mehr so entspannt wie früher.
Momentan kommt mir die U-Bahn wie eine große, durch grelles Neonlicht überflutete Bühne vor auf der transidente Menschen fast immer irgendwie auffallen.
Gestern hatte ich ein etwas merkwürdiges Erlebnis in der U-Bahn, das mich gleichermaßen verwirrt und ermutigt hat.
Seit knapp einem Jahr trage ich ja im Alltag Frauenkleidung zwar sehr dezent, aber Frauenkleidung.
Seit ein paar Monaten kommen auch noch längere Haare dazu.
Bisher hatte aber bis auf mein direktes Umfeld niemand merklich Notiz von meiner Bekleidung genommen. Bis gestern...
Irrungen
Ich stehe an also bei der Einfahrt in einem großen U-Bahnhof direkt an der Wagentür, der Zug hält und die Türen öffnen sich. Während ich aussteige, kommen mir zwei junge Männer entgegen - beide sehen mich kurz an, darauf sagt der eine zum anderen: "Das ist ja doch ein Mann!" Dann waren sie auch schon weg.
Ich brauchte erst mal einen Moment, bis ich begriff, dass die beiden mich gemeint hatten, weil ich ja weder besonders angezogen noch geschminkt war. Ich trug einfach die Art Kleidung, mit der ich jeden Tag ins Büro gehe.
Wirrungen
Daraufhin war ich etwas verwirrt, weil ich irgendwie begriffen habe, dass ich mittlerweile doch weiblicher aussehen muss, als mir selbst bewusst war. Bisher fühlte ich mich natürlich als Frau, machte mir aber über mein Aussehen bzw. mein Passing keine Illusionen.
Und nun bekam ich von meinem Umfeld erstmals die Mitteilung, dass ich wohl von nun an zwischen den Stühlen sitze. Die Menschen haben wohl langsam Schwierigkeiten, mich in die richtige Schublade einzuordnen. Seltsam, wie gut das zu meinem letzten Post passt...
Alles hat gute Seiten
Zuhause machte ich mir Gedanken darüber, was ich zu der jährlichen Weihnachtsfeier des Trans-Ident e.V. anziehen sollte. Wenn ich jetzt schon zwischen den Stühlen war, konnte ich mich auch für eine Seite entscheiden. Also zog ich Schuhe mit hohen Absätzen an, danach kamen Make-up, Wimperntusche, Kajal, Lidschatten, Lippenstift und die Nägel lackierte ich mir auch.
Als der Zeitpunkt kam um mich auf den Weg zur Weihnachtsfeier zu machen, war mir schon ziemlich mulmig. Ich kam mir zwar nicht mehr wie Charlys Tante vor und meine Spiegelbild passte auch endlich zu mir, aber ich hatte mich ganz klar für eine Seite entschieden und würde so auch aus dem Haus gehen.
Da es draußen bereits dunkel war, fühlte ich mich wenigstens nicht ganz wie auf dem Präsentierteller.
Das änderte sich aber ziemlich schnell, als ich den U-Bahnhof betrat. U-Bahnen und U-Bahnhöfe sind wirklich nicht meine Lieblingsorte.
Von Neonlicht angestrahlt inmitten wartender Menschen zu stehen, die alle Zeit der Welt hatten mich ausgiebig zu begutachten in der vollen U-Bahn anderen Menschen viel zu Nahe zu kommen zerrt schon sehr an den Nerven. Aber zu meiner Verwunderung fiel ich nicht vielen Fahrgästen auf.
Trotzdem entspricht meine innere Erschöpfung nach so einer U-Bahnfahrt immer der eines Marathonläufers und ich muss ja auch wieder nach Hause! Danach brauche ich immer einige Zeit um mich zu erholen.
Da ich kein Auto habe, hab ich schon darüber nachgedacht, mit dem Taxi zu fahren.
Aber hilft mir davonlaufen wirklich? aber mitten in der Nacht als Frau U-Bahn zu fahren, birgt eben auch Risiken. Vielleicht hin in der U-Bahn und zurück mit dem Taxi?
Gestern kam ich aber gut zur wirklich schönen Weihnachtsfeier meiner Selbsthilfegruppe.
Es gab Plätzchen und Lebkuchen, wir haben Gewichtelt, Weihnachtsgeschichten angehört und Weihnachtslieder erraten. Zum Abschluss gab es noch leckeres Essen in einem nahegelegenen griechischen Restaurant.
Gestern habe ich also wieder dazugelernt, auf meinem Weg einen neuen Schritt getan und einige nette Menschen kennengelernt.
Der heutige Tag enthält wieder deutlich weniger "Trans*".
LG Birgit
PS:
Es ist wirklich so - wenn jemand z.B. in der U-Bahn lacht, beziehe ich das direkt auf mich.
Auch wenn es gar nicht stimmt - ein blödes Gefühl, das ich nur zu gerne wieder loswerden will.
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