Was so alles passiert ist:
Seit meinem letzten Post ist ja nun einige Zeit vergangen.
Zum einen deshalb, weil ich mich gerade in einer Phase meiner Transition befinde, in der ich eben nicht ständig Termine habe und deshalb nicht so viel passiert wie früher, als ich noch ständig zwischen, Endokrinologe, Psychologe und Logopädin gependelt bin und auch deshalb, weil ich einfach Material für einen Post über meinen Trans*-Alltag sammeln wollte.
Nach meiner OP hatte ich sehr viel Zuspruch und Akzeptanz erfahren. Das und der gute Verlauf machten ließen mich tatsächlich etwas euphorisch werden.
Mittlerweile ist die Euphorie etwas verflogen und ich kann einige Aspekte meines neuen Lebens wieder klarer sehen.
Es gab aber auch Alltagserlebnisse, welche mich ziemlich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben.
Alte Freunde - neue Freunde?
Während ich beruflich wieder mehr gefordert (und auch gefördert) werde und wirklich gut klar komme, sieht das in meinem privaten Umfeld mittlerweile schon etwas anders aus.
Einige Menschen, mit denen ich wirklich schon seit Jahrzenten befreundet bin, benehmen sich in letzter Zeit echt unglaublich, was mich persönlich teilweise wirklich zutiefst verletzt.
Interessant ist dabei auch, dass sie es selbst gar nicht zu bemerken scheinen.
Hier eine kleine Auswahl der letzten Wochen:
- Beschäftige Dich lieber mit Frauenthemen (soweit Du das überhaupt kannst).
- Möchtegernfrau
- Frauen sind dumm und sollten nicht bei Dingen mitreden, von denen sie sowieso nichts verstehen.
- Blöd wie eine Frau halt.
- Selber schuld, wenn Dir nach der OP mal was weh tut.
Das alles sind Aussagen von "Freunden", die ja tolerant sind, aber... sie haben ja "Anstand".
So etwas stürzt einen in eine "Gefühlskrise", weil man trotz solcher Aussagen, die lange Freundschaft nicht einfach wegwerfen möchte, auch wenn einem die Menschen dahinter schon lange nicht mehr gut tun.
Außerdem zerstört es mühsam aufgebautes Selbstvertrauen und beschädigt mein Selbstbild.
Trans*-Situationen
Neben diesen bewussten Verletzungen, gab es aber auch unbewusste Situationen, die mir sehr weh getan haben.
Am Tisch mit 2 Kollegen und einer Kollegin. Wir unterhalten uns alle miteinander. Dann kommt eine Kollegin dazu.
Fast sofort schwenkt alles: Die beiden Kollegen unterhalten sich und die beiden Kolleginnen unterhalten sich. Ich bin "übrig" - ein unglaubliches Gefühl.
Passing Ü40 und was es mit Dir macht
Erste Hilfe mit Haarersatz. Ich mag meinen Haarersatz nicht wirklich, aber ich habe mich damit arrangiert.
Aber Sport, Baden, Frisuren, Helme, Mützen, Tücher und viele körperliche Betätigungen (z.B. im Kurs stabile Seitenlage) gehen überhaupt nicht.
Auch die notwendigen Einlagen schränken mich bei körperlichen Betätigungen sehr ein.
Faktisch sind diese für mich für ein gutes Passing notwendigen Hilfsmittel ähnlich einer plötzlichen körperlichen Behinderung. Viele Dinge kann ich damit einfach nicht mehr.
All diese Dinge belasten mich psychisch. Dazu kommen ja noch die kleinen Probleme des Alltags (die jeder Mensch hat) und natürlich Herausforderungen im Job.
Trotzdem:
Es gab natürlich auch einige positive Dinge in den letzten Wochen und auch wenn die vorangegangenen Zeilen ein recht düsteres Bild malen, bereue ich meine Entscheidung keine einzige Sekunde. Ich könnte aber auch gar nicht anders.
Das ist etwas, das viele Menschen nicht verstehen - Wir können nicht anders!
Und es ist neben aller "Toleranz" und dem "Anstand" solcher Menschen ein unumstösslicher Fakt, dass SIE ein Problem mit anderen Menschen haben, an dem SIE dringend arbeiten sollten.
Was kommt:
Ich habe im November meinen zweiten Termin in Bogenhausen zur üblichen Korrektur-OP. Bisher sieht alles echt gut aus.
2019 möchte ich als letzte OP eine Brustvergrößerung machen lassen. Ich weiß aber noch nicht bei wem und ob die Krankenkasse etwas bezahlt.
Aber das ist eigentlich egal. Ich spare nun schon seit längerer Zeit und dann wird das Geld eben nicht für einen fahrbaren Untersatz sondern, für meine körperliche Freiheit ausgegeben.
Freiheit
Die Freiheit im Sommer in einem See zu baden, ein Wellness-Hotel zu besuchen, Sport zu treiben und sich zu bewegen und sich dabei wie jeder andere Mensch auf der Welt zu fühlen und das Leben zu genießen.
Birgit
Liebe Birgit, vielen Dank für das Teilen Deiner Gedanken und Erfahrungen! Ja, viele geben sich gerne tolerant, weltoffen und sensibel, aber die, die das auf Dauer auch sind, sind deutlich weniger! Halte durch und freu Dich über die, die dauerhaft zu Dir halten!
AntwortenLöschenLiebe Grüße!
Manu
Liebe Birgit, ich wollte noch eine eigene Erfahrung ergänzen, die wohl viele Trans*Frauen machen mussten: auch, wenn uns unser Umfeld anfangs positiv offen gegenüber stand, erweist sich das doch oftmals als nicht wirklich beständig. Der Reiz des Exotisch-Neuen ist weg und die gefühlsmäßige Anteilnahme und aufbauende Unterstützung geht zurück, und auf einmal steht man mit seinem Trans*sein irgendwie ernüchtert zwischen allen Stühlen... Dann hörte auch ich auf einmal Kommentare wie "ich habe doch mit Deiner Transition ein Problem" (äh: wo genau liegt das Problem des (vermeintlichen) Freundes oder des Verwandten?) Hier machte ich unterschiedliche und unerwartete Erfahrungen, mit mich enttäuschenden, aber auch positiv überraschenden Mitmenschen. Anderseits hat es aber auch sein Gutes, "schal gewordene Freundschaftskonserven" auszusondern und sich ggf. auf weniger, aber intensivere Beziehungen zu konzentrieren. Ich wünsche Dir jedenfalls (und allen anderen ähnlich Betroffenen) viel Glück! Alles Liebe! Manu
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