Samstag, 26. November 2016

Transident - Wie sag ich's meinem Chef? Teil 2

Hierarchie - Von unten nach oben - und wieder nach unten?
Ich arbeite nun schon ziemlich lange in einem Unternehmen mit langer Geschichte und mit einer lange gewachsenen Hierarchie (auch wenn sie nicht mehr ganz so starr wie früher ist).

Leser(innen) der ersten Stunde können ja schon am Zeitstrahl meiner Beiträge erkennen, dass sich meine Transition eher gemächlich und überlegt vollzieht. Ob das nun mit meinem Alter oder mit meinem Wesen zu tun hat weiß ich nicht genau - vielleicht ein wenig von beidem.

Deshalb habe ich mir auch das Outing im Job gut überlegt und mich entsprechend darauf vorbereitet.
Dabei hilft es ungemein, Erfahrungen aus anderen Blogs oder in der Selbsthilfegruppe in die eigenen Überlegungen einzubeziehen. Das Ganze habe ich dann an meinen Job (Büroarbeit mit mehr als 100 Kolleginnen und Kollegen) angepasst.

Für mein Outing im Job hatte ich mir diese Reihenfolge ausgedacht:

1. Kolleginnen und Kollegen mit denen ich schon lange zusammenarbeite
(mein Büro-Mikrokosmos im Konzern) sage ich es persönlich einzeln.

2. Der Betriebsrat erfährt es ebenfalls im Einzelgespräch
(für Betriebs-, und Personalräte gibt es übrigens von Trans* in Arbeit spezielle Flyer und Reader).

3. Mein direkter Vorgesetzter 
(Leiter/Teamleiter) erfährt es natürlich auch persönlich und zwar im Einzelgespräch ohne Begleitung durch Betriebsrat oder andere Kolleginnen (auch hier gibt es spezielle Flyer und Reader von Trans* in Arbeit).

4. Der indirekte bzw. nächsthöhere Vorgesetzte
(Bereichsleiter o.ä.) sollte es (falls möglich) auch persönlich im Einzelgespräch erfahren (bekommt die gleichen Infos wie der direkte Vorgesetzte).

5. Die Belegschaft der Firma, mit der ich überwiegend zu tun habe
(ca. 100+ Personen). Das geht natürlich nicht persönlich, hier wähle ich die Methode per E-Mail vor dem Urlaub, weil ich nicht durch die Lande tingeln will um alle zu informieren. Ich finde es aber wichtig, Einzelnen für Fragen zur Verfügung zu stehen, um sie abzuholen. (Mails als Anregung und Denkanstoß finden sich in diversen Blogs).

Ich habe diese Woche Punkt 4 erfolgreich hinter mich gebracht und Punkt 5 knüpfe ich für mich an den Abschluß der Vornamens-, und Personenstandsänderung.

Ich möchte nochmal ausdrücklich betonen, dass es keinen vorgegebenen (optimalen) Weg für ein Outing gibt. Jede(r) sollte Infos und Tipps dazu nutzen, um sein persönliches Rezept zu finden (der begleitende Psychologe kann hier auch gut unterstützen.

Ich persönlich finde es sehr wichtig, jeden (falls irgend möglich) bei der Transition abzuholen und mitzunehmen. Das ist nicht bei jedem Menschen möglich, aber oft fehlen informationen um Vorurteile, Befürchtungen und Probleme im Umgang zu vermeiden oder abzubauen.

Verstehen Sie, was ich sage!!??
Eine verständliche Sprache ist beim Outing ebenfalls wichtig. Ich möchte meinem Gegenüber ja etwas nicht alltägliches mitteilen (und hoffe auf Aktzeptanz vielleicht sogar auf. Verständnis).
Das geht aber nur, wenn ich auch verständlich spreche.

"Ich leide an Geschlechtsinkongruenz" oder "ich bin Transident" vielleicht auch "ich werde künftig als Frau leben" kann für die eine Person verständlich sein, für eine andere nicht.
Dann kann es notwendig sein, auch mal veraltete und unbequeme Begriffe "ich bin Transsexuell" zu verwenden. Antwort: "Du bist 'ne Transe?". Das ist nicht optimal, aber mit etwas Gefühl lässt es sich trotzdem erklären und das Gegenüber reagiert positiv.

Es hat ja keinen Sinn mit korrekten Begrifflichkeiten um sich zu werfen, wenn einen niemand versteht.

Transition betrifft immer auch die Menschen im näheren Umfeld.
Im Jahr 2016 kann man auch "einfach sein Ding durchziehen" nur ist das nicht immer klug.

In meinem näheren Umfeld ist nun meine Kaffeetasse leer und ich finde es klug, einen weiteren Kaffee zu trinken.

Heute wieder Grüße aus meinem gewohnten Café.

Birgit



Samstag, 19. November 2016

Update: Gutachten für die Vornamens-, und Personenstandsänderung

Herbst und Winter haben Nürnberg fest im Griff, es regnet wie aus Kübeln und mein Lieblingscafé ist vollkommen überfüllt.
Darum hab ich mir einen Platz in einem der ältesten Bistros Nürnbergs gesucht und schreibe jetzt ein wenig über meine letzten Wochen, die ganz im Zeichen der VA/PÄ standen.

Erstes Gutachten
Nach meinem Termin Ende September hatte ich nach ungefähr sechs Wochen Post vom Amtsgericht mit einer Abschrift des ersten Gutachtens im Briefkasten. Obwohl ich an diesem Abend von der Arbeit (oder den Hormonen?) ziemlich müde war, musste ich das Kuvert unbedingt öffnen um das Gutachten zu lesen.
Glücklicherweise war es positiv und die VA/PÄ wird ausdrücklich befürwortet. Es ist schon ein wenig seltsam ein "Gutachten" über sich selbst und seine komplette Lebensgeschichte zu lesen.
In diesen "Genuss" kommen wohl nur wenige Menschen und auch wenn es positiv ausgefallen und nun mal notwendig ist, finde ich dennoch, dass so etwas ein klitzekleinwenig die Menschenwürde verletzt.

Zweites Gutachten
Als zweiter Gutachter wurde ein Nürnberger Gutachter mit viel Berufserfahrung bestellt.

Während ich bei der ersten Gutachterin Ausweis und Trans-Lebenslauf benötigte, wollte dieser lieber Arztbriefe des Psychologen. So verlief das Gespräch auch etwas anders, weil ich frei weg erzählen konnte und keine Fragen aus dem Lebenslauf gestellt werden konnten. Am Ende des Termins vereinbarten wir noch einen Folgetermin (ich habe mir sagen lassen, dass bis zu fünf ganz normal sind) und beendeten das angenehme Gespräch.

Einige Wochen später folgte dann der zweite Termin und dieses Gespräch verlief ähnlich wie das erste.
Am Ende folgte noch ein Fragebogen und wir verabschiedeten uns ohne einen dritten Termin zu vereinbaren.
Nun hoffe ich natürlich, das dies ein gutes Zeichen ist und warte auf meine zweite Abschrift vom Amtsgericht.

Im Grunde verlaufen die Gespräche ja immer sehr ähnlich und ich finde, dass man irgendwann aufpassen muss, dass ganze nicht herunterzuleiern, etwas wichtiges zu vergessen und es auf die leichte Schulter zu nehmen. Dafür ist die Angelegenheit zu ernst und zu wichtig.
Nur fällt nach vielen Gesprächen die Nervosität, die Anspannung (und leider auch die Konzentration) weg und man wird lockerer. Das ist ja ganz gut, aber es sollte nicht zu locker werden.

Die Gespräche an sich sind nicht schlimm und Ängste sind unbegründet.
Schließlich tauchen wir ja nicht einfach so bei einem Gutachter auf, sondern haben schon viele ähnliche Gespräche mit unseren Begleitern hinter uns, bis wir die VA/PÄ beantragen können.
Es geht darum authentisch zu sein und das dürfte wohl keinem transidenten Menschen schwerfallen - es ergibt sich sozusagen von selbst.

Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, zu wissen, dass bald das nächste Mosaiksteinchen an seinen Platz fällt. Eben noch so weit weg und dann direkt vor der Haustür bzw. Im Briefkasten.

Was als nächstes kommt
Die letzte Stunde des zweiten Logopädie-Rezepts rückt näher und ich nehme sie nach Absprache mit der Logopädin nach einigen Wochen Pause um alles nochmal zu üben, zu verinnerlichen, Fragen aufkommen zu lassen um wichtige Dinge nochmals anzusprechen.

Trotz vieler IPL-Sitzungen brauche ich für ein paar Stellen im Gesicht trotzdem eine Nadelepilation, weil die Barthaare einfach nicht weichen wollen. Hier einen Termin zu bekommen, ist bislang das Schwierigste an meiner ganzen Transition.

Aber als nächstes kommt jetzt zuerst mein Mittagessen, weil mein zweiter Milchkaffee mittlerweile leer ist und es damit auch Zeit ist, diesen Post zu beenden.

Grüße aus dem Nürnberger Sumpfgebiet und bis bald.

Birgit