Ich arbeite nun schon ziemlich lange in einem Unternehmen mit langer Geschichte und mit einer lange gewachsenen Hierarchie (auch wenn sie nicht mehr ganz so starr wie früher ist).
Leser(innen) der ersten Stunde können ja schon am Zeitstrahl meiner Beiträge erkennen, dass sich meine Transition eher gemächlich und überlegt vollzieht. Ob das nun mit meinem Alter oder mit meinem Wesen zu tun hat weiß ich nicht genau - vielleicht ein wenig von beidem.
Deshalb habe ich mir auch das Outing im Job gut überlegt und mich entsprechend darauf vorbereitet.
Dabei hilft es ungemein, Erfahrungen aus anderen Blogs oder in der Selbsthilfegruppe in die eigenen Überlegungen einzubeziehen. Das Ganze habe ich dann an meinen Job (Büroarbeit mit mehr als 100 Kolleginnen und Kollegen) angepasst.
Für mein Outing im Job hatte ich mir diese Reihenfolge ausgedacht:
1. Kolleginnen und Kollegen mit denen ich schon lange zusammenarbeite
(mein Büro-Mikrokosmos im Konzern) sage ich es persönlich einzeln.
2. Der Betriebsrat erfährt es ebenfalls im Einzelgespräch
(für Betriebs-, und Personalräte gibt es übrigens von Trans* in Arbeit spezielle Flyer und Reader).
3. Mein direkter Vorgesetzter
(Leiter/Teamleiter) erfährt es natürlich auch persönlich und zwar im Einzelgespräch ohne Begleitung durch Betriebsrat oder andere Kolleginnen (auch hier gibt es spezielle Flyer und Reader von Trans* in Arbeit).
4. Der indirekte bzw. nächsthöhere Vorgesetzte
(Bereichsleiter o.ä.) sollte es (falls möglich) auch persönlich im Einzelgespräch erfahren (bekommt die gleichen Infos wie der direkte Vorgesetzte).
5. Die Belegschaft der Firma, mit der ich überwiegend zu tun habe
(ca. 100+ Personen). Das geht natürlich nicht persönlich, hier wähle ich die Methode per E-Mail vor dem Urlaub, weil ich nicht durch die Lande tingeln will um alle zu informieren. Ich finde es aber wichtig, Einzelnen für Fragen zur Verfügung zu stehen, um sie abzuholen. (Mails als Anregung und Denkanstoß finden sich in diversen Blogs).
Ich habe diese Woche Punkt 4 erfolgreich hinter mich gebracht und Punkt 5 knüpfe ich für mich an den Abschluß der Vornamens-, und Personenstandsänderung.
Ich möchte nochmal ausdrücklich betonen, dass es keinen vorgegebenen (optimalen) Weg für ein Outing gibt. Jede(r) sollte Infos und Tipps dazu nutzen, um sein persönliches Rezept zu finden (der begleitende Psychologe kann hier auch gut unterstützen.
Ich persönlich finde es sehr wichtig, jeden (falls irgend möglich) bei der Transition abzuholen und mitzunehmen. Das ist nicht bei jedem Menschen möglich, aber oft fehlen informationen um Vorurteile, Befürchtungen und Probleme im Umgang zu vermeiden oder abzubauen.
Verstehen Sie, was ich sage!!??
Eine verständliche Sprache ist beim Outing ebenfalls wichtig. Ich möchte meinem Gegenüber ja etwas nicht alltägliches mitteilen (und hoffe auf Aktzeptanz vielleicht sogar auf. Verständnis).
Das geht aber nur, wenn ich auch verständlich spreche.
"Ich leide an Geschlechtsinkongruenz" oder "ich bin Transident" vielleicht auch "ich werde künftig als Frau leben" kann für die eine Person verständlich sein, für eine andere nicht.
Dann kann es notwendig sein, auch mal veraltete und unbequeme Begriffe "ich bin Transsexuell" zu verwenden. Antwort: "Du bist 'ne Transe?". Das ist nicht optimal, aber mit etwas Gefühl lässt es sich trotzdem erklären und das Gegenüber reagiert positiv.
Es hat ja keinen Sinn mit korrekten Begrifflichkeiten um sich zu werfen, wenn einen niemand versteht.
Transition betrifft immer auch die Menschen im näheren Umfeld.
Im Jahr 2016 kann man auch "einfach sein Ding durchziehen" nur ist das nicht immer klug.
In meinem näheren Umfeld ist nun meine Kaffeetasse leer und ich finde es klug, einen weiteren Kaffee zu trinken.
Heute wieder Grüße aus meinem gewohnten Café.
Birgit