Dienstag, 6. November 2012

Vor dem Outing - Mein Weg zu mir selbst

Mein Alltag als Trans-Frau wird zur Zeit von den verschiedensten Gefühlen geprägt.
Zuerst mal von einer irgendwie tiefen inneren Entspannung, weil ich mir endlich selbst erlaube das zu sein was ich bin.

Viele Menschen werden mich vielleicht nicht verstehen, aber das ist nicht schlimm, weil zum Glück nicht jede(r) das Pech hat in einem unpassenden Körper geboren zu werden.
Natürlich hat bestimmt jeder Mensch seine persönlichen Problemzonen - es gibt wohl kaum jemand, der mit seinem Körper rundum zufrieden ist.

Aber es ist trotzdem etwas vollkommen anderes, wenn Du dich von Kind an verstellen musst, jahrzehntelang mutig und nicht ohne Erfolg Deine Rolle spielst, aber in letzter Konsequenz doch nicht Du selbst sein kannst.

Viele flüchten sich in Alkohol, Drogen, das Internet oder verzweifeln an Problemen, die in einigen Fällen mit etwas Hilfe vielleicht lösbar sind.
Ich bin als Trans-Frau fast um die ganze Welt gereist, hatte mehrere Beziehungen mit Frauen und habe ständig nach meinem Glück gesucht. Aber auch wenn Du mit einem Cocktail in einem teuren Hotel am weißen Sandstrand unter Palmen liegst, so musst du doch deinen Körper und die Gedanken in deinem Kopf mitnehmen.

Das zweite Gefühl ist Unsicherheit. Auch wenn ich täglich als Mann aus dem Haus gehe, trage ich oft verschiedene unauffällige weibliche oder zumindest androgyne Kleidungsstücke.

Anfangs war die Unsicherheit noch sehr groß und ich hatte, das Gefühl, dass z. B. der ganze U-Bahn-Wagen bemerkt, dass meine Nägel lackiert sind, oder dass ich Damenschuhe trage. Auch wenn diese flache Absätze haben und mit einer Jeans vielleicht auch als Männerschuhe durchgehen.
Ich trage diesen Stil momentan ganz bewusst, um meinen oft noch sehr hohen Stresslevel langsam zu senken und damit immer mutiger zu werden.

Und da ist da natürlich noch die Angst. Obwohl ich in meinem Leben vielleicht Dinge getan und erlebt habe, die nicht jeder erlebt, so habe ich doch eine Scheißangst.
Angst davor meinen Job und meine Familie zu verlieren - gerade meine Familie ist mir das Wichtigste auf der Welt. Aber ich kann diese Rolle einfach nicht mehr weiterspielen.
Ich weiß ganz genau, dass irgendwann in vielleicht nicht ferner Zukunft der Tag kommt, an dem ich vor meiner Mutter oder meinem Chef stehe und mich outen muss.

Aber ich habe es mir nicht ausgesucht - ich wurde so geboren und ich tue nur das was ich tun muss um meinen inneren Frieden zu finden und mich selbst zu mögen.
Ich kann mir heute noch nicht vorstellen, wie sich das anfühlen wird - aber es wird trotz allem besser sein als heute.

Meine Fassade scheint immer mehr zu bröckeln - obwohl ich nichts überstürzen will.
Heute hat mir eine Kollegin nebenbei in der U-Bahn erzählt, dass am Mittwoch eine Reportage über Transsexuelle im Fernsehen kommt.
Das kann totaler Zufall sein, aber Frauen sind feinfühliger als Männer und sie schauen viel genauer hin.
Es hätte mich fast nicht gewundert, wenn sie mich direkt gefragt hätte, ob ich transsexuell bin.
Und ich muss mir eingestehen, dass ich keine Ahnung habe, was ich geantwortet hätte...

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