Samstag, 7. April 2018

Zwei Monate nach der OP

71 Tage
Wie schnell doch die Zeit vergeht!
Seit meiner großen OP sind nun schon über zwei Monate ins Land gezogen.
Für mich war das eine ganz besondere Zeit. Warum?
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich gezwungen mich täglich mehrmals mit meinem Körper auseinanderzusetzen.
Etwas, das ich vorher möglichst vermieden habe, weil ich an meinem männlichen Körper so vieles nicht mochte.

Klar, anfangs sind noch Schmerzen da - es ziept hier mal und dort mal, aber ich hatte doch sehr großes Glück, dass wirklich alles ohne jegliche Komplikationen verlaufen ist. Zu Beginn des Kennenlernens und Entdeckens ist es oft noch unangenehm und das Bougieren und Spülen sind noch ungewohnt. Aber nach einigen Wochen gewöhnt man sich an neue Möglichkeiten, Beschränkungen und Bedürfnisse seines neuen Körpers.

Was nun?
Juhu! Alles erledigt, alles vorbei?
Nein - noch nicht ganz. Mir geht es sehr gut und ich bin im Alltag angekommen. Aber neben all den täglichen Herausforderungen und kleinen, aber doch nervigen Begebenheiten genieße ich mein Leben - so ganz anders wie früher.
Ich würde behaupten, dass ich meine Umwelt nun sehr viel bewusster erlebe.

Aber neben all dem Genießen muss es natürlich auch noch Pflichten geben.
Beruflich stehe ich vor einem Umbruch, den ich zwar nicht wollte, aber nun so gut wie möglich meistern möchte.
Dazu muss ich in den nächsten Tagen auch den OP-Termin für meine Korrektur-OP im Klinikum Bogenhausen vereinbaren.
Hoffentlich klappt wieder alles so gut wie beim ersten Mal.

Kraft
Ich fühle, dass ich nach all der langen Zeit wieder Kraft zum Leben habe. Ich habe ja immer versucht mich nie unterkriegen zu lassen, immer das Beste aus der Situation zu machen, alles zu erledigen und immer das Positive zu sehen.

Aber jetzt fühle ich, dass ich langsam wieder die Kraft dazu bekomme etwas Neues aus mir heraus zu beginnen.
Nicht nur zurechtkommen und getrieben sein, sondern selbst planen und machen.

Dazu haben sehr viele Menschen beigetragen - manche mehr, manche weniger - manche kannte ich gut und manche kaum.
Aber ich wundere mich immer wieder aufs neue darüber, wieviel Zuspruch und Unterstützung ich bekomme und welche Kontakte sich ergeben.
Bei dieser geballten, positiven Energiewelle die da über mich zusammengeschlagen ist, muss ich wohl langsam selber daran glauben, dass ich wohl ein liebenswerter Mensch bin - auch wenn ich mich fast mein ganzes Leben gehasst habe. Ich lerne eben nie aus.

Bindungen
Ich bin auch sehr lange allein durchs Leben gegangen - aber vielleicht bringt die Zukunft Gemeinsamkeit mit meiner Partnerin.
Seit einem Jahr lernen wir uns nun schon kennen, sind vorsichtig, manchmal ängstlich und ergründen die Andere.
Teilen schöne Erlebnisse und manchmal auch finstere Stunden, springen manchmal jede für sich, manchmal zusammen ins kalte Wasser.
Aber wir sind frei und doch zusammen - das ist schön.

Feuer & Flamme
Ja, ich bin lesbisch - das war mir schon lange klar... und was mir sehr wichtig ist - das habe ich schon immer an mir akzeptiert.

Seit einiger Zeit lese ich die Zeitschrift LMAG - ein Magazin für lesbische Menschen.
Dort habe ich gelesen, dass Lesben-Kneipen und Lesbencafés wohl langsam aussterben.
Um so mehr hat es mich gefreut, dass meine Heimatstadt Nürnberg hier eine Ausnahme bildet, hier gibt es das Feuer & Flamme!
Dort wollte ich unbedingt hin - nicht um zu suchen, sondern um zu lernen. Ohne weibliche Sozialisierung ist man ständig am Lernen.
Es ist wichtig für mich. Aber ich hatte Angst hinzugehen - ich weiß gar nicht so genau warum. Es war mehr eine diffuse Angst oder ein schlechtes Gefühl.
Aber meine Partnerin begleitete mich - und was soll ich sagen? es war super!
Meine Bedenken und Ängste waren (wieder mal) kompletter Quatsch. Alle waren total nett und wir hatten einen sehr schönen Abend.

Veränderung
Ich verändere mich - mag, tue und rede über Dinge, die ich vorher nicht mochte. Anderes ist mir weniger wichtig geworden.
Bin manchmal sehr offen, aber jetzt oft auch sehr viel ängstlicher und zurückhaltender als früher - das darf ich jetzt.

Ich darf jetzt ich sein - manchmal wie früher, manchmal anders - aber ich.

Das Leben ist schön.

Bis bald.

Birgit

 

1 Kommentar:

  1. Hallo Birgit,
    ich finde es toll, dass Du jetzt anscheinend im richtigen Leben angekommen bis. Du wirst jeden Tag etwas neues entdecken.

    Christine

    AntwortenLöschen